Es war nicht immer ein Honigschlecken
24.12.2023, 08:45
Nach über 30 Jahren im Organisationskomitee ist Fredi Pargätzi so etwas wie der «Mister Spengler Cup». Im Interview spricht er über die in vielen Bereichen grosse Bedeutung des Anlasses, der sein 100-Jahr-Jubiläum feiert.
100 Jahre Spengler Cup: Was bedeutet Ihnen dies?
Fredi Pargätzi: 100 Jahre – das ist eine grosse Zahl. Es ist ein sehr spezielles Datum für uns, und es ist auch der Zeitpunkt, um zurückzuschauen. Die letzten 50 Jahre habe ich selber einigermassen mitbekommen, betreffend der ersten Hälfte hatte ich nun die Gelegenheit, mich etwas einzulesen. Es ist schon eindrücklich und auch bewegend, was in diesen 100 Jahren alles gegangen ist.
Wann und wie sind Sie erstmals mit dem Spengler Cup in Berührung gekommen?
Als Junior des HCD war man schnell mal irgendwie ins Turnier involviert und fasste einen Job. Bei mir war es 1965 oder 1966 der Fall, da half ich als «Material-Fugi» mit. Das waren so etwas wie die Mädchen für alles am Turnier, durften neben der Spielerbank stehen und den Spielern etwas zu trinken oder ein Isolierband reichen. Und nach dem Spiel mussten sie die Kabine aufräumen. Seither war ich mit kleineren, zwischenzeitlichen Abwesenheiten immer involviert.
Ab wann gehörten Sie zur Organisation?
1990 wurde ich OK-Präsident und war mit einem zweijährigen Unterbruch bis 2015 in diesem Amt tätig. Dann wurde Marc Gianola mein Nachfolger, und ich durfte als seine rechte oder linke Hand mitarbeiten. Heute bin ich noch für die Mannschaften, deren Akquisition und die internationalen Beziehungen zuständig. Das ist so etwas wie das Sahnehäubchen, das ich mir nun rausnehmen durfte und gleichzeitig ein weiterer Schritt weg von der Front, nachdem ich meinen 70. Geburtstag feiern konnte.
Der Spengler Cup ist definitiv ein fixer Bestandteil in Ihrem Leben…
Das ist so. Es sind jetzt über 30 Jahre, in denen ich eigentlich immer involviert bin. Weihnachten/ Neujahr ist für alle Menschen eine spezielle Zeit und für mich war es auch eine tolle Zeit. Aber es war nicht immer einfach in dieser feierlichen, weihnachtlichen Atmosphäre so oft weg von der Familie zu sein.
Es ist eindrücklich, wie sich der Spengler Cup in diesen 100 Jahren entwickelt hat, oder?
Ja, wobei man heute in erster Linie sieht, was in den letzten, wirtschaftlich prosperierenden Jahren war. Aber man darf nicht vergessen, dass es als Spengler Cup auch andere Zeiten gab, Höhen und Tiefen wechselten sich ab. Wir hatten Zeiten, in denen man darüber diskutierte, den Spengler Cup wegen finanziell zu grossen Problemen zu beerdigen. Es war nicht immer nur ein Honigschlecken. Gottseidank gelang es, auch diese schwierigen Zeiten zu meistern und war die Weitsicht vorhanden, dass es wichtig ist, am Turnier festzuhalten.
Was waren die besten Entscheidungen, um das Turnier so erfolgreich zu behalten?
Entscheidend war, als sich die Gemeinde Davos entscheiden musste, eine Halle zu bauen. Dass man von einer Openair- zu einer Indoor-Veranstaltung wurde. Man musste mit der Zeit gehen. Es war zwar romantisch, bei Schneetreiben und 20 Grad minus Eishockey zu schauen und auszuharren, aber diese Romantik stand der Entwicklung irgendwie auch im Weg. Denn der Konsument wollte etwas anderes.
Wo sehen Sie generell das Erfolgsgeheimnis? Ist es die Jahreszeit? Das spezielle Ambiente?
Sie tönen es an. Es war weder der Sport, noch die Halle oder die Jahreszeit allein. Entscheidend war der Mix. In dieser speziellen Zeit ein spezielles Turnier durchzuführen, und zwar mit Ausnahme von Team Canada explizit ein Klubturnier und nicht ein weiteres Länderturnier, von denen es genug gibt. Dazu kommt die Szenerie mit der unglaublichen Winterlandschaft, die auch für die Spieler und ihre mitgereisten Familien ein wunderbares Erlebnis ist.
War in all diesen Jahren das Lockout-Turnier 2012 Ihr persönlicher Höhepunkt?
Definitiv! Das war für uns alle das sportliche Highlight schlechthin und nicht zu toppen. Die NHL ist nach wie vor das Mass aller Dinge, an ihr orientiert sich die Hockeywelt. Man hörte immer von diesen Superstars – und plötzlich waren sie da. Es waren ja nicht nur die Spieler von Team Canada, auch die anderen Mannschaften hatten solche Stars im Kader. Es war unglaublich, eine NHL-Allstar-Week in Davos.
Und was waren die schwierigsten Zeiten?
Die liegen nicht weit zurück, waren die zwei Jahre, in denen wir das Turnier wegen der Pandemie nicht durchführen konnten. Es war für uns von der Organisation sehr emotional, den Stecker ziehen zu müssen, aber es war auch für den HCD als Ganzes wirtschaftlich äusserst schwierig. Wir standen vor einem Desaster und wussten nicht, wie wir da wieder rauskommen sollten und wie es danach weitergehen würde.
Es gab Jahre, da wollten die Schweizer Clubs den Spengler Cup abschaffen. Wie war das?
Es war eine schwierige Situation und ab und zu auch schwierig zu verstehen. Wir haben nun mit der Liga und den Clubs eine langfristige Lösung gefunden, sodass die Thematik im Moment geregelt ist. Ich verstehe beide Seiten, aber für uns ist wie gesagt der Zeitpunkt Weihnachten/Neujahr sehr, sehr wichtig. Wenn man einen Modus finden würde, dass der Spengler Cup stattfindet und parallel dazu in der Liga durchgespielt wird, wäre es schwierig – und auch fürs Schweizer Eishockey keine gute Sache. Der Spengler Cup ist natürlich eine Veranstaltung des HC Davos, aber er ist auch ein wertvolles und internationales Schaufenster fürs Schweizer Eishockey. Und für unser Gesamtprodukt, das Eishockey, das in der Unterhaltungsbranche gegen viele Konkurrenten bestehen muss. Wir machen also etwas fürs Hockey generell. Wie gesagt: Wir haben einen guten Modus mit der Liga gefunden, auch wenn an diesem ein gewisses Preisschild haftet, das uns fordert.
Ist es tatsächlich so, dass der HCD ohne den Spengler Cup nicht auf dem heutigen Niveau spielen könnte?
Es ist kein Spruch, sondern ein Fakt: Wenn der HCD den Spengler Cup nicht mehr hätte, wären wir früher oder später dort, wo die anderen Bündner Clubs sind.
Teilweise hört man, der Spengler Cup habe etwas Magisches an sich. Ist das auch für Sie so?
Magisch ist ein grosses Wort. Aber der Spengler Cup ist sicher speziell, auch für erfahrene Spieler, und kann nicht mit einer Meisterschaft verglichen werden, zumal auch das Eishockey anders ist, schnell und teilweise auch losgelöst von taktischen Fesseln. Die Zuschauer und die Spieler haben Spass daran. Der Spengler Cup ist für alle Involvierten speziell und emotional, ein Anlass, den man ins Herz schliesst, wenn man mal selber aktiv dabei war.
Text: SLAPSHOT – Das Hockey-Magazin der Schweiz Foto: Archiv HCD