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Gewinnen ist alles

3.12.2019, 08:52

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Dass im Eishockey nicht nur physisch, sondern auch verbal ausgeteilt wird, ist hinlänglich bekannt. Weil das öffentliche Ohr in der lauten Stadionatmosphäre nicht mithören kann, bleibt der oft nicht so jugendfreie Inhalt des sogenannten Trash-Talks in der Regel unter den Akteuren. Nicht so indessen am Finalspiel des Spengler Cup 2015. Da zeichnet ein TV-Mikrofon auf der Strafbank nämlich eine ziemlich deftige Tirade auf, die der Lugano-Verteidiger Lorenz Kienzle (heute Davos) gegenüber Chris DiDomenico vom Team Canada ablässt, der sich zu einer Schwalbe hat hinreissen lassen. Es ist eine Sequenz, die dem Publikum auf eine wenig schmeichelhafte, dafür aber ziemlich eindrückliche Art und Weise offenbart, welch starke Emotionen in einer solchen Situation mit im Spiel sind. 
«Was im Spiel geschieht, bleibt im Spiel», meint Chris DiDomenico dazu lapidar. Die Geschichte ist längst vergessen. Dennoch passt sie irgendwie zum Vollblut-Stürmer, dessen Spiel zu grossen Stücken von den Emotionen lebt. Dank ihnen kann er an einem guten Abend eine Partie im Alleingang entscheiden, wegen ihnen kann er umgekehrt an einem schlechteren Abend seinem Team schaden. Er sagt, er wolle eben immer gewinnen, wenn er aufs Eis gehe. «Gewinnen ist alles: So bin ich aufgewachsen, so habe ich es gelernt, so habe ich meinen Weg gemacht.»

Tatsächlich ist der unterdessen 30-jährige Kanadier einen äusserst bemerkenswerten Weg gegangen. Seine Profi-Karriere kann er zwar als erfolgreicher Junior (U20-Weltmeister mit Kanada 2009) und NHL-Draft (2007, Toronto Maple Leafs) in Angriff nehmen, doch sie kommt in den nordamerikanischen Farmteam-Ligen nicht ins Rollen. 2012 initiiert er einen Neustart bei Asagio in Italien, im Frühjahr 2014 folgt ein Wechsel zu Langnau in die zweithöchste Schweizer Liga. Dort überzeugt er dermassen, dass er vom Team Canada erstmals für den Spengler Cup aufgeboten wird – als einziger Spieler aus der NLB notabene. Zum Ende jener Saison wird er zur überragenden Figur beim Aufstieg der SCL Tigers in die National League, wo er zuerst das Kunststück schafft, sich als eigentlicher B-Ausländer zu etablieren und sich danach gar noch für einen Vertrag bei den Ottawa Senators empfiehlt. In der NHL setzt er sich dann zwar nicht ganz durch, nach einer Spielzeit kehrt er 2018 wieder nach Langnau zurück. Doch mit 27 Partien in der besten Liga der Welt hat er sich seinen grossen Kindheitstraum erfüllt. «Man darf nie aufgeben, weil man nie weiss, welche Chance der nächste Tag bringen wird», sagt DiDomenico. «Das hat meine Geschichte gezeigt.»
Mit seiner Karriere, man merkt das, ist Chris DiDomenico völlig im Reinen. Mittlerweile spricht er von Langnau auch als zweiter Heimat, er fühlt sich in der ländlichen Idylle des Emmentals wohl. Mit dazu gehört dabei wie selbstverständlich auch die Altjahreswoche mit dem Team Canada am Spengler Cup in Davos: Beim Traditionsanlass kann er bereits auf vier Teilnahmen (2014, 2015, 2016, 2018) und zwei Turniersiege (2015, 2016) zurückblicken. «Es ist immer eine spezielle Sache, für sein Land zu spielen», betont er. Deshalb sei es auch nur folgerichtig, dass er jedem Aufgebot Folge leiste. Selbstverständlich sind auch die schöne Atmosphäre und der familiäre Besuch – seine Eltern werden heuer hierfür zum zweiten, sein Onkel und seine Tante zum ersten Mal anreisen – schöne Argumente. Das wichtigste dürfte für Chris DiDomenico unter dem Strich aber ein anderes sein: die Chance, zu gewinnen.

Text: SLAPSHOT/Matthias Müller     Photo: KEYSTONE/Melanie Duchene

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